
Kurz nachgefragt: Dean Chisnall als Jean Valjean in „Les Misérables“
In der Tour von «Les Misérables» von 2020 spielt Dean Chisnall Jean Valjean. Er studierte an der Arts Educational School in London und spielte nach seinem Abschluss unter anderem die Hauptrolle als Narrator in «Blood Brothers», Sam in «Mamma Mia!», Shrek in “Shrek The Musical» und in «Love Never Dies». Für ihn ist die Rolle des Jean Valjean nicht nur eine Rolle, für ihn ist sie ein Privileg. Im Rahmen des Presscall von «Les Misérables» in Zürich habe ich bei Dean Chisnall «Kurz nachgefragt».
Nachdem Valjean aus dem Gefängnis entlassen wurde, wird er immer noch von Javert verfolgt. Was sind Ihrer Meinung nach das persönliche Motiv und warum findet Javert keinen Frieden?
Jean Valjean war 19 Jahre, seiner Meinung nach zu Unrecht, mit wirklich harten und taffen Verbrechern im Gefängnis. Einem Ort, an dem er nicht sein sollte. Mit dem Diebstahl des alten Brotes wollte er nur seine Familie retten.
Viele Besucher denken, dass Javert der Böse ist. Er vertritt aber nur seine eigenen Überzeugungen von Recht und Gerechtigkeit. Die Rechtfertigung für Valjean vor Javert wegzulaufen ist, dass er das Richtige tut. Die harten Jahre im Gefängnis haben Valjean geprägt und er hat dies immer im Kopf. Als er vom Bischoff eine zweite Chance für ein schönes und gutes Leben erhält, packt er diese und macht dies mit aller Konsequenz. Beide versuchen ihr Leben nach ihren Überzeugungen zu leben. Die unterschiedlichen Lebenseinstellungen sind der Grund, weshalb das Katz- und Mausspiel zwischen den beiden so spannend ist.
Was ist für Sie persönlich die emotionalste Szene im Stück?
Ehrliche Antwort? Für mich ändern sich die Szenen. Je nachdem finde ich mal die Eine, mal die Andere emotionaler. Es ist generell eine fantastische Show in die man eintaucht. Der emotionalste Teil der Show ist «One Day more», weil hier alle auf der Bühne sind. Wenn ich mich persönlich für eine Szene entscheiden müsste, dann ist es «Bring him Home» als Valjean auf den Barrikaden ist. Für mich ist dies auch kein Solo, denn es ist die ganze Cast mit mir auf der Bühne und das macht es für mich sehr emotional.
Wie würden Sie den Charakter von Valjean in Ihren eigenen Worten beschreiben?
Valjean entwickelt seinen Zorn durch die Entschlossenheit in ihm, immer das Richtige tun zu wollen. Ich glaube, er ist sehr sensibel. Ich denke, es ist wichtig, jedem Charakter einen Teil der eigenen Persönlichkeit zu geben. Für mich ist er eine sehr verständnisvolle und komplexe Figur und daher so interessant zu spielen.
Wenn Sie ihr eigenes Ende der Geschichte von «Les Misérables» schreiben könnten, wie würde es aussehen?
Uff, meine Güte. Für mich ist «Les Misérables», im Sinne des Musicals, durch die Art der Erzählung des Buchs von Viktor Hugo, perfekt. Ich habe den gesamten Roman gelesen. Ein aussergewöhnliches Werk, und ich würde es nicht wagen, daran etwas zu ändern. Besucher kommen aus dem Stück und denken «Oh Gott, es sind ja alle gestorben» (Achtung, Spoiler), was ja der Titel ein Stück weit her gibt. Das Wunderbare daran ist, dass es am Ende etwas Erhellendes, ja aufbauendes, hat. Die Geschichte mit der Musik, all den Emotionen und die Art wie sie endet ist für mich Perfektion. Ehrlich? Ich würde eigentlich nichts ändern wollen.
Was denken sie persönlich über den Charakter den Sie spielen?
Ich denke, es ist generell wunderbar an die Geschichte von «Les Misérables» zu erinnern und nicht nur von Valjean zu sprechen. Für mich ist es Privileg, diese Rolle zu spielen, und ich versuche Valjean die Wertschätzung in meinem Schauspiel zu geben, die dieser Charakter verdient. Durch die 19 Jahre im Gefängnis hat er all seine guten Eigenschaften tief in sich vergraben und es dauert eine ganze Weile, diese wieder hervorzubringen. Alle diese Charaktere aus dem Stück sind in der heutigen Welt so relevant. Wir alle kennen diese Menschen aus unserem Alltag, unserem Leben. Das ist ein Grund, warum «Les Misérables» immer noch so modern, so einzigartig ist und deshalb das am längsten laufende Musical der Welt ist.
Wie viel von Ihrer eigenen Persönlichkeit bringen Sie in den Charakter ein?
Ich denke, solange man die Geschichte wahrheitsgetreu wiedergibt, ist es für jeden Schauspieler wichtig, einen Teil seiner eigenen Persönlichkeit einfliessen zu lassen. Ich spiele Valjean aufrichtiger und herzlicher als andere dies getan haben. Damit will ich nicht sagen, dass dies nicht richtig war, vielleicht mache ich es nicht richtig, aber diese Charaktereigenschaft ist ein persönlicher Teil von mir, den ich versuche in die Rolle einzubringen.
Wenn Sie unterwegs sind, haben Sie Apartments am Veranstaltungsort und sind nicht in Hotelzimmern untergebracht. Fühlen Sie sich dadurch ein wenig mehr wie zu Hause? Gibt es etwas, das Sie als erstes tun, wenn Sie in einer neuen Stadt ankommen?
Das ist eine gute Frage, da sie sehr knifflig zu beantworten ist. Wenn man in der Tourplanung sieht, dass es nach Zürich geht, denkt man «Oh toll, ich komme nach Zürich». Es ist immer schwieriger ins Ausland zu kommen, weil man irgendwie eine noch bessere Zeit haben will, als man sowieso schon hat. Allerdings ich bin hier, um zu arbeiten. Es sind keine Ferien. Ich war bereits in den Ferien in Zürich und ich finde es einen wunderbaren Ort. Wenn man hier arbeitet, ist es zwar immer noch ein wunderbarer Ort, aber man muss sich immer daran erinnern diszipliniert zu sein. Für mich ist es einfach, da ich weder trinke noch gross weg gehe. Ich achte und pflege meine Stimme, damit ich meine Arbeit erledigen kann.
Man muss sich die Apartments, egal ob im Vereinigten Königreich oder im Ausland, zu eigen und es sich gemütlich machen. Wir wurden hier sehr herzlich empfangen und so ist es für uns ein Vergnügen die Show zum ersten Mal in die Schweiz zu spielen. Es ist wichtig, dass man die Art der Erfahrung geniesst, denn die meisten von uns haben hier noch nie gearbeitet. An meinen freien Tagen werde ich mich selbstverständlich auf Entdeckungsreise begeben.
Warum sollten die Leute kommen und „Les Misérables“ sehen?
Erstens, weil sie noch nie hier waren. Zweitens werden sie es unglaublich bereuen, wenn sie es nicht sehen und drittens, weil es das grösste Musical ist, dass je geschrieben wurde. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern die von vielen, denn nicht umsonst ist es auch nach 35 Jahren immer noch so beliebt und erfolgreich. Es ist eine wunderbare Geschichte verbunden mit einer wunderbaren Musik. Ich denke jeder sollte „Les Misérables“ einmal in seinem Leben erleben.