Magisch mit kleinen Abstrichen: „Wicked“ in Zürich
Geschichten über Freundschaft, Liebe, Verlust und Verrat gibt es in der Musical-Landschaft einige. Doch was macht eine Erzählung, die diese Themen beinhaltet, besonders? Im Fall von „Wicked“ ist es die Art der Kombination dieser Themen, gepaart mit einer wunderbaren berührenden Musik, welche die Geschichte von Elphaba, Glinda und Fiyero trägt.
Im Jahr 2003 feierte „Wicked“ im Curran Theatre in San Fransisco Premiere, ehe es dann an den Broadway ins berühmte Gershwin Theatre transferiert wurde. Mittlerweile ist es auf dem neunten Platz der am längsten gespielten Musicals am Broadway und die Vorstellungen sind nach wie vor ausverkauft. Weitere erfolgreiche Spielstätten sind London, Sydney, Tokio sowie Touren in den USA und UK. Weniger erfolgreich lief „Wicked“ in Deutschland. Dies aufgrund der Tatsache, dass der „Zauberer von Oz“ im Gegensatz zu den USA/UK eine wenig bekannte Geschichte ist. In Zürich im Theater 11 ist die aktuelle UK-Tour noch bis 31. Dezember 2017 zu sehen.
Basierend auf dem 1995 erschienen Buch „The Life and Times of the Wicked Witch of the West” des amerikanischen Schriftstellers Gregory Maguire und beeinflusst von Frank Baum’s Film „The Wonderful Wizard of Oz “ aus dem Jahr 1939, zeichnen sich Stephen Schwartz für Komposition und Liedtexte sowie Winnie Holzman für das Buch verantwortlich. Regie führte Joe Mantello und die Choreographie stammt von Wayne Cilento.
„Wicked“ erzählt die Geschichte der beiden Hexen Glinda und Elphaba, zweier ungleicher junger Frauen, deren Interessen und Ansichten unterschiedlicher nicht sein können. Verliebt in den gleichen Mann, Fiyero, trennen sich ihre Wege nach der Schulzeit, da jede ihre eigenen Ziele verfolgt. Während Elphaba gegen die Machenschaften des Zauberers von Oz kämpft, sonnt sich Glinda im Scheinwerferlicht der Berühmtheit. Einige Jahre später begegnen sich beide wieder. Fiyero erkennt, wem der beiden Frauen sein Herz wirklich gehört und die beiden Freundinnen erkennen, wie ihre Freundschaft sie als Menschen zum Positiven verändert hat.
Das gelungene und detaillierte Bühnenbild von Eugene Lee erreicht seinen Höhepunkt bei der Emerald City Szene, bei der die ganze Bühne in eine smaragdgrüne Farbenwelt getaucht wird. Unterstützt wird das Bühnenbild von dem grossartigen Lichtdesign von Kenneth Posner. Bei der Tourproduktion ist insgesamt eine abgespeckte Bühnenbild Version zu sehen. Zuschauer, welche das Stück noch nie gesehen haben, fallen die Anpassungen nicht auf, während „Wicked“-Kenner die äusseren Bühnenelemente, wie die ausladende detailreiche Treppe, und die Brücke vermissen. Die fehlenden Bühnenelemente werden als Treppekonstruktion oder Podest eingeschobenen. Ausgeglichen werden die fehlenden Element auch durch ein angepasstes Bühnenspiel.
Die Kostüme von Susan Hilferty sind eine Augenweide. Das Besondere ist, dass die Kostüme allesamt asymmetrischen Formen und Muster haben. Ergänzt wird das Kostümbild mit den fantasievollen Perücken von Tom Watson. Der Musikalische Leiter Dave Rose führt das 15-köpfige Orchester sicher durch die komplexe Partitur des Stücks. Hörbar fehlen im Orchester die Streicher. Die auf dem Keyboard erstellten Streicherpartien hört man heraus, was den gesamten Musikeindruck etwas schmälert.
Amy Ross agiert in ihrer Rolle als ‚Elphaba’ solide mit guter Bühnenpräsenz. Während sie ihre kraftvolle Stimme bei „Defining Grafity“ noch Potential hat, zeigt sie bei „No Good Deed“ was sie kann. Helen Woolf als ‚Glinda’ hat in London die Rolle bereits als Zweitbesetzung gespielt, gelingt die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Komik perfekt. Ihren wohlklingenden und klaren Sopran setzt sie bei „Thank Goodness“ gekonnt ein. Bei beiden spürt man, wie viel Freude sie gemeinsam auf der Bühne haben, was vor allem in der Schlussszene zum ersten Akt bemerkbar macht. Eine wunderbare Ergänzung zu den beiden Damen ist Aaron Sidwell der den ‚Fiyero’ gibt. Mit jugendlichem Leichtsinn interpretiert er seine Rolle bei „Dancing Through Life“ und zeigt eine gelungene Entwicklung seines Charakters.
Steven Pinder der als ‚Wizard of Oz’ und ‚Doctor Dillamond’ eine Doppelrolle spielt, zeigt gesanglich eine gute Leistung. Als ‚Wizard von Oz’ lässt er in seinem Schauspiel das fiese und durchtriebene des Zauberers ein wenig vermissen und wirkt fast zu lieb. Kim Ismay punktet in ihrer Interpretation als ‚Madame Morrible’. Ihr gelingt die Steigerung von der netten und fürsorglichen Schulleiterin zur machtgierigen Pressesprecherin des Zauberers auf ganzer Linie. Emily Shaw als ‚Nessarose’ und Iddon Jones als ‚Boq’ gefallen mit ihrem Schauspiel. Mit starker Stimme interpretiert Shaw den kurzen Song „The Wicked Witch of the East“.
Insgesamt kann das Ensemble von „Wicked“ im Theater 11 durchaus überzeugen, auch wenn man hier und da kleine Abstriche machen muss. Beim Schweizer Publikum scheint die Geschichte von Elphaba, Glinda und Fiyero anzukommen. Standing Ovation in der besuchten Vorstellung.