
Kurz nachgefragt: Claudia Agar
Vom 08. Juli – 22. August 2015 steht Claudia Agar als Lady Montague in „Romeo & Julia“ in Thun auf der Seebühne. Zuletzt war sie in Stuttgart in „Rebecca“ und als Donna in „Mamma Mia“ zu sehen. Im Rahmen der Pressepremiere hat Musicalstories & Photography bei der Schauspielerin kurz nachgefragt.
Nach dem Abschluss im Jahr 2000 an der UDK in Berlin haben Sie schon einige Rollen gespielt u.a. die Donna in „Mamma Mia“ oder in „Rebecca“. Gibt es in der Vorbereitung auf die Rollen bestimmte Abläufe oder Rituale?
Das ist ganz unterschiedlich. Generell bin ich froh, wenn ich vor Probenbeginn Textbuch und Noten bekomme, was nicht immer der Fall ist. Ich gehe gerne nach dem Text und schaue was mir dieser gibt. Abgesehen vom ganzen Stückbogen, schaue ich was passiert mit dem Stück, wo hat die Rolle ihre Bögen und wie entwickelt sich die Rolle. Dann schaue ich natürlich auch die musikalische Seite an. Manchmal hat man das Gefühl das passt nicht und am Ende fügt sich aber alles zusammen. Ich spiele ja seit einigen Jahren immer wieder Mutterrollen und als zweifache Mama, obwohl meine Kinder noch klein sind, kann ich von den Erfahrungen einiges in die Rollen einbringen, gerade auf der Gefühlsebene. Dann schaue ich mir aber auch die Mütter um mich herum an, die ja auch unterschiedlich auf gewisse Situationen reagieren. Zusammenfassend sind für mich einerseits der Text wichtig und das was ich um mich wahrnehme, suche quasi „Vorbilder“ und schau dann was für mich zum Text passt.
Im Stück „Romeo & Julia“ verlieren Sie als Lady Montague auf recht tragische Weise Ihren Sohn. Was ist das als zweifache Mutter für ein Gefühl? Kommen da eigene Emotionen in die Rollenauslegung und wie setzen Sie diese Trauer um?
Ich kann mich da, glaub ich, gar nicht von den eigenen Emotionen abgrenzen. Vielleicht macht mich dies zu einer schlechten oder auch zu einer guten Schauspielerin, dass weiss ich nicht so genau. Davon abgesehen hat man noch eigene Lebenserfahrung, wo man mit dem Thema Tod in Berührung gekommen ist und auch dies benutze ich für die Auslegung der Rolle.
Shakespeares Romeo und Julia ist ein sehr klassisches Stück. Man weiss zum Beispiel, dass die Balkon-Szene im Original gar nicht vorkam. Haben Sie sich in der Vorbereitung auf die Rolle der Lady Montague mit dem Originalstück auseinander gesetzt oder sich nur von dem Text inspirieren lassen?
Das Original von Shakespeare habe ich mal in der Schule und zu einem späteren Zeitpunkt nochmal gelesen, allerdings wusste ich da nicht, dass ich das Stück jemals spielen werde. Für die Vorbereitung hier in Thun habe ich das Stück nicht nochmal neu aufgerollt, sondern habe geschaut, was ich noch für Erinnerungen habe. Hauptsächlich transportiere ich den Text und die Rolle so, wie sie für diese Inszenierung gedacht ist. Natürlich kann man sich von dem Original und dem Drumherum inspirieren lassen, aber man darf es auch, meiner Meinung nach, nicht zu überfrachten.
Als Lady Montague machen Sie ein auf und ab der Gefühlswelt durch. Einerseits sind Sie sehr stolz auf Ihren Sohn und freuen sich für ihn, anderseits leiden Sie mit ihm. Wie viel Ihrer eigenen Persönlichkeit ist in der Rolle drin?
Es gibt immer einen relativ grossen Anteil Persönlichkeit in der Rollenauslegung. In Prozent kann ich das allerdings nicht beziffern. Ich benutze wirklich viel von dem was ich erfahren habe, so wurde es uns ja auch an der UDK in Berlin gelehrt. Zuerst in uns rein gehen und schauen was da vorhanden ist. Wenn dies nicht reicht, dann schaut man sich die Umgebung an und wie kann ich dies für die Rolle adaptieren. Ich denke da gibt es schon einiges von mir, was sich in der Rolle wiederspiegelt. Am Anfang bin ich ja die Aufmüpfigere der beiden Ladies, quasi der Giftzwerg von beiden. Grundsätzlich bin ich ein harmoniesüchtiger Mensch, aber je nach Umstand kann man mich schon reizen, ich hau dann schon mal auf den Tisch und kann etwas lauter werden. Das ist sicher eine Eigenschaft von mir, die in der Rollenauslegung der Lady Montague steckt. Je nach Situation und Emotion geschieht dies in unterschiedliche Mengen.
Zum ersten Mal hier in Thun und Open Air auf einer Seebühne. Was ist das für ein Gefühl vor so einer Kulisse hier in der Schweiz zu spielen und zum anderen verstehen Sie das Schweizerdeutsch schon ein bisschen?
Seit dem ich hier in Thun bin, zum ersten Mal war dies für eine Promotion im März, habe ich mich in diese Gegend verknallt. Ich liebe die Berge und mir gefällt es hier wirklich sehr. Die Schweizer sind anderes und ich habe hier bisher sehr viele offene Menschen erlebt, was mir sehr gefällt. Die Seebühne ist der Wahnsinn – eindrücklich was hier für so eine kurze Dauer auf die Beine gestellt und welcher Aufwand betrieben wird. Die Kulisse flasht total, aber da bin ich sicher nicht die einzige, die so empfindet. Alles in allem bin ich sehr dankbar für dieses Engagement, als Mensch, als Schauspielerin und es erfüllt mich gerade sehr. Es tut mir und meiner Familie, die mich oft besuchen, sehr gut hier zu sein. Wir können hier richtig durchatmen. Ursprünglich komme ich aus Niederbayern, auch wenn die beiden Dialekte nicht viel miteinander zu tun haben, glaube ich einen kleinen Vorteil beim Verständnis gegenüber Menschen aus Norddeutschland zu haben. Ich finde den Dialekt super charmant und entzückend. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass sich Schweizer gar nicht so richtig streiten können, weil der Dialekt einfach zu schön ist. Dieses geerdete und doch das bisschen freche kommt meiner Herkunft sehr nah. Dies ist sicher ein weiterer Grund, weshalb es mir hier so gut gefällt.