Überzeugende Stimmen: „Evita“ auf Tour
María Eva Duarte de Perón war gerade mal 33 Jahre alt, als sie am 26. Juli 1952 ihrem Krebsleiden erlag. Bis heute ist sie für viele Argentinier eine Ikone, da sie eine der grössten Wohltäterinnen ihres Landes war. Als erste Frau nahm sie grossen Einfluss in der damaligen politischen Landschaft Argentiniens, ohne die Rolle ihres Mannes Juan Perón als Präsident zu beeinträchtigen. Die Geschichte von Eva Perón inspirierte Andrew Lloyd Webber und Tim Rice im Jahr 1974 sich dem Stoff anzunehmen. Im Juni 1978 feierte das Musical im Prince Edward Theatre in London seine Uraufführung. Vom 25.- 30. April 2017 gastiert die englischsprachige Tour im Theater 11 in Zürich und vom 11.-16. Juli 2017 im Musicaltheater Basel.
Das Ziel der jungen Eva Duarte ist Buenos Aires, denn das kleine Dorf Junín, in dem sie lebt, ist ihr nicht gut genug. Sie träumt davon in der grossen Stadt eine berühmte Schauspielerin zu werden. Diverse Männerbekanntschaften helfen ihr dieses Ziel zu erreichen. Auf einer Benefizveranstaltung für Erdbebenopfer trifft sie auf den ehrgeizig politisch engagierten Juan Perón. Emma Hatton, zuletzt als Elphaba in „Wicked“ in London zu sehen, begeistert mit ihrer starken Bühnenpräsenz und ihrer facettenreichen Stimme. Als Erzähler bringt Che, angelehnt an den argentinischen Revolutionsführer, den Zuschauern die Geschichte von Eva Duarte aus einer kritischen Sicht näher. Gian Marco Schiaretti, unter anderem als Tarzan in Hamburg und Stuttgart zu erleben, verkörpert die Rolle mit dem nötigen Feingefühl, überzeugendem Spiel und punktet mit ausdrucksstarker Stimme. Juan Perón ist ein aufstrebender Militärkommandant, der Stück für Stück politisch an Einfluss gewinnt. Dank seiner charismatischen Frau gelingt ihm bei der Präsidentenwahl der Durchbruch. Kevin Stephen-Jones, bei der „Cats“-Tournee 2016 als Old Deuteronomy zu sehen, verleiht seiner Darstellung als Juan Perón die nötige Intensität und Glaubhaftigkeit. Dank der erzwungenen Unterstützung des Sängers Magaldi kommt Eva ihrem Weg nach Buenos Aires näher – er ist für sie das Mittel zum Zweck. Oscar Balmaseda interpretiert seine Figur Rollengerecht und mit schöner Stimmfarbe.
Für Tim Rice (Texte) und Andrew Lloyd Webber (Musik) war es nach „Jesus Christ Superstar“ das zweite Stück, dass sie gemeinsam auf die Bühne gebracht haben. Gespickt mit mitreissenden und eingängigen Melodien wie den Welterfolg „Don’t Cry For Me Argentina“ oder „High Flying Adored“ feiert „Evita“ seit Jahrzehnten Erfolge. Regisseur Bob Tomson verbindet politische Themen mit der Lebensgeschichte einer aussergewöhnlichen Frau auf eine berührende und spannende Weise. Seine Personenregie ist detailliert, so dass gerade die Hauptfiguren eine eindrückliche Präsenz aufweisen. Die Choreografie von Bill Deamer ist ausgereift und fügt sich nahtlos in die Regiearbeit von Tomson ein. Das Bühnenbild von Matthew Wright stellt eine Art grosse Halle da, welche je nach Szene mühelos angepasst wird. Treppenaufgänge die miteinander verbunden werden, Säulen und diverse detailliert ausgearbeitete Requisiten ergänzen die Szenerie perfekt. Zusammen mit dem gelungenen Lichtdesign von Mark Howett und Wrights Kostümen im Stil der 30er-40er Jahre, entsteht ein stimmiger Gesamteindruck. Das Orchester unter der Leitung von Will Joy bringt die musikalisch verschieden Facetten des Stück, von Rock Pop bis zu südamerikanische Rhythmen, wunderbar zu Gehör.
Ein geschichtliches Thema in einem Musical zu verarbeiten ist anspruchsvoll. Rice und Webber ist das mit „Evita“ wunderbar gelungen. Mit hoher Qualität und Spielfreunde zeigte das ganze Ensemble eine durchweg überzeugende Leistung. Das Publikum im Theater 11 spendete minutenlang Applaus.