Märchenhaft: «Die Schöne und das Biest» auf der Walensee-Bühne in Walenstadt
«Die Schöne und das Biest» handelt von Themen, die nie an Aktualität verlieren. Es geht um Liebe, Sehnsucht, Eifersucht und die Macht, durch Liebe Grenzen zu überwinden. Es ist wohl eines der schönsten Märchen auf einer Musicalbühne. Dabei hat man allerdings eher die Disney-Version mit den klangvollen Melodien von Alan Menken im Kopf. Abseits dieser bekannten Fassung, welche erst im letzten Jahr erfolgreich im Kino lief, gibt es auch eine wunderbare deutsche Version, welche am 22. September 1994 Uraufführung im Kölner Sartory-Theater feierte. Wesentliche Unterschiede zur bekannten Disney-Version sind vor allem die Musik und der Handlungsort, welcher nicht in Frankreich, sondern in Deutschland ist. Das Buch schrieb Christian Bieniek und aus der Feder von Martin Doepke stammt die Musik. Elke Schlimmbach und Grant Stevens steuerten die Liedtexte bei. Die Walensee-Bühne nimmt sich dieser Fassung an und inszeniert das Märchen im neuen Gewand. Das Stück feierte am 20. Juni 2018 Premiere und ist dort bis zum 28. Juli 2018 zu sehen.
Das französische Volksmärchen «La Belle et la Bête» der Französin Gabrielle-Suzanne de Villeneuve aus dem Jahr 1740 ist die Basis für die Geschichte. Es geht um Bella, die jüngste Tochter des reichen Kaufmanns Wilhelm, die stets bescheiden und freundlich ist sowie immer an das Gute im Menschen glaubt. Ihre beiden Schwestern sind hingegen selbstsüchtig, verwöhnt und boshaft. Als das Handelsschiff des Kaufmanns bei einem schweren Sturm sinkt und er sein fast sein ganzes Hab und Gut verliert, macht er sich auf den Weg, um noch zu retten was zu retten ist. Auf seiner Reise verirrt er sich in das Schloss eines jungen Prinzen, der aufgrund seiner Unmenschlichkeit und Hochmuts von einer Fee in ein Biest verwandelt wurde. Das Biest schlägt dem Kaufmann einen Handel vor – endloser Reichtum und Freiheit gegen eine seiner Töchter. Während der Vater mit diesem Angebot hadert, muss sich Bella mit aller Mühe dem grossmäuligen und dümmlichen Gustav erwehren, der sie zur Frau nehmen möchte. Die Hoffnung des Biests ist es, durch die Tochter des Kaufmanns seine wahrhaftige Liebe zu finden, denn nur durch sie wird er von dem Bann befreit. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn wenn das Licht im Herz erlischt, bleiben der Prinz und seine Schlossbewohner für immer verzaubert.
Das Bühnenbild von Petr Hloušek und Jaroslav Milfajt kommt ohne grossen Schnick Schnack daher. Das Dorf ist eine solide Holzkonstruktion, welche den Dorfcharakter klar erkennen lässt, während beim verwunschenen Wald dieser Eindruck nicht entsteht. Grüne Astgerippe mit Spinnweben in den Zwischenräumen. Es bedarf Fantasie, dabei an einen Wald zu denken. Das Schloss des Biests erinnert an den Eispalast von Elsa aus «Frozen». Statt der bekannten Rose aus der Disney-Version, die Blatt für Blatt verliert, ist es in dieser Inszenierung ein Herz, bei welchem das Leuchten langsam erlischt – eine schöne Umsetzung. Insgesamt betrachtet bettet sich das Bühnenbild wunderbar in die Naturkulisse des Walensees und der Churfirsten ein. Dank dem stimmigen Lichtdesign von David Kachlíř, der regelrecht mit den Farben spielt, entfaltet sich auf der Bühne eine gewisse Magie. Die Kostüme von Andrea Kučerová sind passend zum Stück, kunterbunt und lassen keine Wünsche offen. Zusammen mit dem Maskenbild von Sandra Wartenberg ergeben sie eine Einheit.
Für Regisseur Stanislav Moša ist die Inszenierung des Stoffs nicht unbekannt. Er macht sich die Bühne zunutze, und legt den Fokus klar auf das Schauspiel verbunden mit einer nachvollziehbaren Personenführung. Entstanden ist eine unterhaltsame und berührende Inszenierung mit gelungen Übergängen zwischen Drama, Komik und Gefühl. Buchbedingt kommen einzelne Sprüche und Witze eher plump daher, was aber den gelungenen Gesamteindruck nicht schmälert. Die Choreografie von Igor Barberic hat in der Inszenierung wenig Entfaltungsmöglichkeiten, aber wenn, dann macht es Freude zuzuschauen. Der Musikalische Leiter Gaudens Bieri dirigiert das 11-köpfige Orchester sicher durch die Partitur aus gefühlvollen Balladen, rockigen Tönen und energiegeladenen Up-Tempo-Songs – Hörgenuss auf hohem Niveau. Das Tondesign von Andreas Brüll bietet eine angenehme Balance zwischen den Stimmen der Darsteller und der Musik des Orchesters.
Das Biest hadert mit sich, der Welt und hat den Glauben an die wahre Liebe verloren. Es ist drauf und dran sich seinem Schicksal zu ergeben, bis es Bella begegnet und durch sie neue Hoffnung schöpft. István Csiszár zeigt als Biest eine überzeugende Leistung und punktet durch sein authentisches Spiel mit wohlklingender Stimme. Bella empfindet das Leben im Dorf, durch die einfältigen Dorfbewohner und ihre nervigen Schwestern, als Qual. Als sie sich gegen den Willen ihres Vaters auf den Weg zum Schloss macht, und sie das Biest immer mehr ins Herz schliesst, erkennt sie, dass das Biest nicht böse und gemein, sondern schlichtweg einsam ist. Eveline Suter ist eine zauberhafte Bella, die eine ideale Balance zwischen jungem Mädchen und resoluter junger Frau zeigt. Stimmlich besticht sie mit ihrer wunderbaren Stimmfarbe und ihrem klaren Sopran.
Jan Bühlmann gibt den aufschneiderischen und unterbelichteten Gustav herrlich überspitzt. Mit allen Mitteln versucht er die Gunst von Bella zu gewinnen, stellt sich bei seinen Eroberungsversuchen reichlich dumm an. Dies zur Verzweiflung seines Freundes, der immer wieder versucht Gustav auf den richtigen Pfad zu lotsen. Patric Scott gibt den Freund von Gustav auf herrlich Art und Weise und begeistert mit seiner starken Stimme. Scott steuert zusammen mit Martin de Vries einen zusätzlichen Song bei – mit «Dir gehört mein Herz» bekommen Scott und Bühlmann noch während des Songs begeisterten Szenenapplaus des Publikums. Eine wirklich gelungene Ergänzung, die auch die Rolle des Freundes von Gustav mehr zu Geltung kommen lässt. Pia Lustenberger als gute Fee wie auch Hans Neblung als Vater gefallen mit ihren wohlklingenden Stimmen, von den man gerne mehr hören möchte.
Laura Luisa Hat (Ilse) und Ronja Borer (Grete) geben die nervigen und verwöhnten Schwestern von Bella. Karolin Konzert (Mathilde), Jessica Falcerie (Violoncello) und Stefano Como (Sessel) zeigen als verwunschene Schlossbewohner authentisch die Hilflosigkeit und Verzweiflung, unter der sie leiden, weil die Zeit davon rennt. Insgesamt bietet «Die Schöne und das Biest» zauberhafte Unterhaltung auf hohem Niveau mit einer starken Cast. Das Publikum zeigte sich am Premierenabend begeistert und spendete stehende Ovationen beim Schlussapplaus.
Fotogalerie zu „Die Schöne und das Biest“ in Walenstadt, 2018