Oper als Musical: „Carmen La Cubana“ im Theater 11 in Zürich
Klassische Werke erfahren auf den unterschiedlichen Bühnen immer wieder andere Interpretationen. So auch die Oper «Carmen» von George Bizets. Die bekannteste dabei ist wohl Carmen Jones aus dem Jahr 1943 mit den Liedtexten von Oscar Hammerstein II. Mit «Carmen La Cubana» geht Author und Regisseur Christopher Renshaw (Norge Espinosa Mendoza/Stephen Clark) noch einen Schritt weiter. Einerseits überträgt er die aus Spanien stammenden kubanischen Elemente der bekannten Tanzstile «Habanera» und Candombé auf das gesamte Stück (Choreografie: Roclan González Chávez) und andererseits packt er «Carmen La Cubana» in ein lateinamerikanisches Gewand.
Inmitten der kubanischen Revolution Ende der 1950er Jahre, als die Rebellen um Fidel Castro kurz davor waren den kubanischen Präsidenten Barista zu stürzen, kämpft eine junge Frau ihren eigenen Kampf der Unabhängigkeit. In Santiago de Chile hat Carmen das eintönige Leben als Arbeiterin in der Zigarrenfabrik satt. Dank ihrer Schönheit gelingt es ihr, die Männer reihenweise um den Finger zu wickeln. So verfällt auch der junge Soldat José ihrer Schönheit und wandert dafür in den Arrest. Carmen lernt in Lilos Bar den erfolgreichen Boxer El Niño kennen. Das Schicksal von Carmen nimmt seinen Lauf, als José seinen Kommandanten Moreno im Kampf vermeintlich tötet. Die beiden flüchten nach Havanna. Schnell hat Carmen das langweilige Leben an Josés Seite satt und bandelt mit El Niño an. José reagiert mit Eifersucht und stellt sie zur Rede, als plötzlich der todgeglaubte Moreno auftaucht. Ihnen gelingt erneut die Flucht. Marilù, die Jugendliebe von José, befindet sich ebenfalls in Havanna. Als José sie entdeckt, fleht er sie an, die Stadt zu verlassen. Bei einem Streit mit Carmen und ihren Freundinnen, bittet Marilù José darum sie zu begleiten, denn seine Mutter sei Sterbenskrank und wolle ihren Sohn nochmals sehen. Gemeinsam verlassen sie Havanna. In der Zwischenzeit sind Carmen und El Niño sind ein Paar. Carmen begleitet El Niño am Tag des grossen Kampfes gegen Kid Cowboy zum Ring. Als sich Carmen kurz vor dem Kampf zurückzieht, trifft sie auf den vor Eifersucht rasenden Josè. Als sie ihm sagt, dass sie einen anderen liebt, verliert er die Beherrschung.
Bei der Orchestrierung setzt Alex Lacamoire auf die unterschiedliche reiche kubanische Musiktradition und verbindet die klassischen Opernmelodien von Bizets mit den lateinamerikanischen Klängen von Salsa und Mambo. Der Musikalische Leiter Hector Martignon bringt mit seiner Latin-Big Band die Rhythmen mitreissend zu Gehör. Das Bühnen- und Kostümbild von Tom Piper versetzt die Besucher des Stücks ins Kuba der 1950er Jahre. In den Szenen hat man das Gefühl in Hinterhofbarracken der grossen Zigarrenfabriken zu sein und in allem schwelt dieser Hauch der Revolution. Die Kostüme spiegeln die Einfachheit der Arbeiterinnen, die Batista-Uniformen der Soldaten wie auch die farbenfrohen typischen kubanischen Kleider wieder.
Bereits zu Beginn des Stück hinterlässt Albita Rodriguez als La Señora einen bleibenden Eindruck. Wie sie die Figur der Erzählerin interpretiert ist richtig stark. Gepaart wird das Ganze mit ihrer ausdrucksstarken Stimme. Mit ihrer zarten und zurückhaltenden Darstellung der Marilù zeigt Cristina Rodríguez Pino wie verletzlich ihre Figur ist. Letzten Endes verliert sie ihre grosse Liebe José an Carmen, denn dieser erliegt der Schönheit dieser Frau. Als José zeigt Saeed Mohamed Valdés eine starke Leistung. In jeder Minute kauft man ihm seine Versessenheit in Carmen ab. Auch am Ende, als er verzweifelt versucht, Carmen nochmal für sich zu gewinnen, wirkt sein Schauspiel authentisch. Punkten kann er mit seiner einfühlsamen klassischen Stimme. Mit ihrer Schönheit und ihrem selbstbewussten Auftreten wickelt Carmen die Männer reihenweise um den Finger. Keiner, aber wirklich keiner kann sich dieser Frau entziehen. Luna Manzanares Nardo begeistert mit ihrer Darstellung dieser selbstbewussten und stolzen Frau. Starke Akzente setzt sie zudem mit ihrem klaren und kraftvollen Sopran. Für starke Männer hat Carmen sofort eine Schwäche. So auch für den erfolgreichen Boxer El Niño der von Joaquin García Mejías dargestellt wird. Seine überzeugende Bühnenpräsenz und sein Schauspiel hinterlassen genauso einen bleibenden Eindruck wie seine warme und eindringliche Stimme. In einer weiteren Rolle gelingt es Leonid Simeón Baró als Moreno zu glänzen. Man nimmt ihn den Part des abgewiesenen Verehrers von Carmen auf ganzer Linie ab.
Die Geschichte um Carmen ist keinesfalls kitschig oder oberflächlich, sondern weist durchaus eine gewisse Tiefe aus und vermittelt den Eindruck des Kubas Ende der 1950er Jahre. Das gesamte Ensemble sprüht nur so vor Energie und Begeisterung. Man wird von dem lateinamerikanischen Lebensgefühl der Darsteller auf der Bühne regelrecht angesteckt. Obwohl das Stück in spanischer Originalsprache mit deutschem Untertitel aufgeführt wird, kann man der Geschichte die ganze Zeit folgen. «Carmen La Cubana» ist noch bis 11. November 2018 im Theater 11 in Zürich zu sehen.